Das Ornament, seit dem Beginn der Architektur-Moderne geschmäht, erlebt seit einiger Zeit wieder große Aufmerksamkeit in der Architektur. Es gibt wieder große Projekte mit ornamentierten Fassaden. Das Ornament, stets durch die Mühlen der Moderne gejagt, mit hohem Rechtfertigungsaufwand, ist aus diesem Grund vielleicht noch nie so intensiv untersucht worden.
Selbstverständlich ist es allerdings noch lange nicht. Bei Architektenwettbewerben ist meist kein einziger Beitrag mit irgendeiner Art von Ornament.
Als Künstlerin arbeite ich seit 20 Jahren am Ornament und beleuchte es unter verschiedenen Aspekten. 2006 veranstaltete ich in Mannheim eine Ausstellung mit Symposium, wo hauptsächlich bekannte Naturwissenschaftler die Sicht ihres Fachgebiets, meist unter dem Aspekt der Symmetrie, darlegten (mehr unter dem Punkt “Symposium 2006″).
Mit meinem diesjährigen Projekt, mit Vorträgen, Workshops und Ausstellung, stelle ich Naim Nigmatov vor, Architekt und Künstler in einem Land, das noch eine ungebrochene Ornament-Tradition hat.
Natürlich gibt es dort genauso die Moderne – jedoch ohne die Verdammung des Ornaments. Natürlich gibt es in diesen Ländern auch Kräfte, die genau das Gegenteil wollen: sie lehnen das, was wir jetzt als echt und ausgereift betrachten, ab als 400 Jahre alten Ballast. Doch genau so gibt es dort eine große Wertschätzung der ornamentalen – und handwerklichen – Tradition. Ganz ohne Abwertung als „bloßes Dekor“.
Mir geht es um den Wechsel des Blickpunktes. Andere Werte zulassen, andere Codesysteme, andere Intentionen und Traditionen.
Was kann uns ein handgeschnittenes handgezeichnetes traditionelles Ornament heute noch sagen?
Im Laufe der Moderne mit ihren Gesetzen von „form follows function“ und „weniger ist mehr“, geeignet zur sozialen Distinktion (Habitus nach Pierre Bourdieu), wehrte sich als erstes die Postmoderne gegen die von vielen als nackt und kalt empfundenen Baukörper. Sie wollte Affirmation, als Negation der Negation. Die Ironie, der doppelte Code: falsche Unschuld wird vermieden, und zugleich wird zum Ausdruck gebracht, dass es nicht mehr möglich ist, unschuldig zu gestalten.
Der digitale Paradigmenwechsel, digitale Planungsprozesse und technische Möglichkeiten der Ausführung gaben dem Ornament weiteren Aufschwung. Jedoch stets mit einem hohen Aufwand an Reflexion, mit einem intellektuellen Überbau, mit Zitaten und Rückbezügen.
Mit einem Architekten und Künstler aus Usbekistan, einem Land, wo das Ornament noch lebendige Tradition ist, bekommen wir die Gelegenheit, uns einer ganz anderen Auffassung, einer ganz anderen Repräsentation von Ornamentik zu nähern.
Hierzulande gibt es _wieder Ornament – im Orient _gibt es Ornament.
Können wir uns dem Genuss, der Schönheit dieser traditionellen Gestaltungen hingeben, ohne sie als Kunsthandwerk, als vormodern abzuwerten? Ohne die intellektuelle Distanz der Moderne, die wir hier nicht abschütteln können – ein anderer Strang der Kunstgeschichte?
Naim Nigmatov ist in Buchara geboren und hat an der Pädagogischen Hochschule Buchara Kunst studiert, danach Innenarchitektur in Taschkent. Er ist selbständig als Architekt und Designer tätig, führt neue Moscheebauprojekte durch und gestaltet Innenräume. Gerade beim Thema Moscheebau erhitzen sich hierzulande die Gemüter, wie auch beim Thema Islam – und wir wollen auch einen Beitrag dazu leisten, einmal genauer hinzusehen und sich positiv zu identifizieren.
Gertrud Schrenk, Mannheim, im Mai 2011
Sicher kennen Sie das „Mandala“ an der Konrad-Adenauer-Brücke! Es ist eine Arbeit des usbekischen Künstlers Asad Barnoev aus dem Jahr 2006.
Unter der Anleitung des Architekten Naim Nigmatov können Sie dabei sein, wenn an der Konrad-Adenauer-Brücke in Mannheim ein weiteres Ornament, diesmal in der Sgraffito -Technik, angefertigt wird!
Sgraffito ist eine Technik zur Gestaltung von Putzoberflächen. Es werden verschieden farbige Putzschichten übereinander aufgetragen und die obere Schicht, wenn der Putz angezogen hat, so geschnitten, dass die untere – andersfarbige – Schicht sichtbar wird.
Wir kennen diese Technik auch in Europa. Beispiele: Dresden, Residenzschloss; Prag, U minuty (wo auch Kafka mit seiner Familie eine Zeit lang lebte); Barcelona; Florenz
Besuchen Sie den Workshop, um diese Technik auszuprobieren! Inklusive Zeichnen von usbekischen islamischen Ornamenten!
Sa/So, 7./8. Mai 2011
Am Samstag wird das Konstruieren und Zeichnen islamischer Ornamente gezeigt und ein Probestück in der Sgraffito-Technik angefertigt.
Ort: Hofatelier, Jungbuschstraße 17
13.30 Uhr: Vorbereiten des Putzgrundes
15 Uhr Zeichnen und Konstruieren
17 Uhr Schneiden des Ornaments
Ende ca. 18 Uhr
Am Sonntag fertigen wir dann gemeinsam das Ornament an der Konrad-Adenauer-Brücke an!
Treffpunkt: 11 Uhr Hofatelier, Jungbuschstraße 17
25 € inkl. Material
eigenes Zeichenwerkzeug, wo vorhanden. Arbeitskleidung.
Gertrud Schrenk, Tel. 0621.3365421
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Alexander Bergmann, Hofatelier
KulturQuer QuerKultur Rhein-Neckar e.V.
Türkisch-Islamische Gemeinde zu Manheim e.V.
Mannheimer Institut für Integration und interreligiösen Dialog e. V.
Bezirksbeirat Jungbusch/Innenstadt
TU Kaiserslautern, Fachgebiet Darstellende Geometrie und Perspektive, Akad. Dir. Cornelie Leopold
TU Kaiserslautern, Fachgebiet Künstlerisches Gestalten, Prof. Heike Kern
Humboldt-Universität Berlin, Zentralasienseminar, Prof. Dr. habil. Ingeborg Baldauf
Mannheim
Freitag, 6. Mai 2011, 19 Uhr
Yavuz-Sultan-Selim-Moschee, Luisenring 28
mit anschließendem Gespräch bei usbekischen Spezialitäten und klassischer usbekischer Musik (CD).
Berlin
Mittwoch, 11. Mai 2011, 18 Uhr c.t.
Humboldt-Universität zu Berlin, Zentralasien-Seminar
Institut für Asien- und Afrikawissenschaften, Raum 315, Invalidenstr. 118, 10115 Berlin (Zugang derzeit nur über Schlegelstraße 26!)
Kaiserslautern
Mittwoch, 18. Mai 2011, 18 Uhr
Technische Universität, FB Architektur, Raum 1-106
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Mannheim: Sa/So 7./8. Mai 2011
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Kaiserslautern: 18. Mai 2011
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Dienstag, 17. Mai 2011, 18 Uhr (bis 11. Juni)
Architekturgalerie Kaiserslautern, Rosenstraße 2
Öffnungszeiten:
Mi - Fr: 15 - 19 Uhr
Sa: 10 - 14 Uhr
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Buchara – Perle der Seidenstraße
Moschee und Muster – Vortrag des Architekten Naim Nigmatov aus Buchara, Usbekistan
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Um Sie auf den Vortrag einzustimmen, hier ein paar Abbildungen, wie sie im Vortrag zu sehen sein werden; dazu kommen auch Video-Clips, die die Ausführung von Bauten und von Ornamenten demonstrieren.
Moschee und Muster – alt und neu
Vortrag und Workshop mit Naim Nigmatov, Architekt aus Buchara
Buchara liegt westlich von Samarkand und war einst ein Zentrum der Wissenschaft, Kultur, Religion und Mystik, welches in der gesamten islamischen Welt berühmt war. Viele Eroberer haben hier ihren Einfluss hinterlassen, Alexander der Große, Dschingis Khan, Tamerlan. Buchara ist eine echte Chronik, in der sich die tausendjährige Entwicklungsgeschichte der mittelasiatischen Baukunst spiegelt. Größtenteils wurden die bis heute erhaltenen Denkmäler der Stadt im Mittelalter erbaut. Mit seinen über 140 Architekturmonumenten ist Buchara eine Art „Museumsstadt“, die von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt ist.
Erleben Sie eine Stadt, in der ornamentale Tradition noch lebendig ist!
Naim Nigmatov, Architekt in Buchara, stellt neue Gebäude dem alten Buchara gegenüber. Er gibt intime Einblicke in das Bauen in einem orientalischen Land.
Schwerpunkt ist dabei die Ornamentik, die bei uns im Westen nahezu verloren gegangen ist, wie auch das Wissen um Techniken und Gestaltung von mitreißenden Ornamenten. Die Sehnsucht nach Mustern aber bleibt, und so erleben wir auch hier wieder eine Renaissance von ornamentalen Oberflächengestaltungen.
Islamische Kunst? Moderne? Kunst oder Kitsch? Hegemonie? Eurozentrismus?
Jede Menge kunsttheoretischer Fragestellungen werden aufgeworfen. Gerade heute, wo Kulturen benutzt werden, um politische oder soziale Konfontationslinien aufzubauen und abzusichern, hilft der Blick auf die tatsächliche Produktion und die dahinter stehenden Codes, um zu erkennen, wie im Grunde doch alles gemeinsame Linien und Wurzeln hat.